50 Jahre Frauenstimmrecht
Am 7. Februar 1971 erhielten die Schweizerinnen das Recht auf eine eigene Stimme. Ein wichtiger und mehr als nötiger Schritt zur Gleichberechtigung. Seit dem 14. Juni 1981 ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Bundesverfassung verankert: «Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.» Obwohl in den letzten Jahrzehnten bereits viel erreicht wurde, finden sich leider viel zu viele Bereiche, in denen Männer und Frauen nicht gleichgestellt sind.
Wie wir mit der Gleichberechtigung in der Schweiz stehen, haben wir mit der Expertin für Gleichberechtigung besprochen. Und zwar mit Helena Trachsel, Leiterin der Fachstelle Gleichstellung des Kanton Zürich.
1. Was bedeutet dir persönlich das Jubiläum?
Ich bin als Mädchen mit drei Brüdern in einer konservativen Gegend aufgewachsen. Auch wenn es nicht einfach war, habe ich versucht, mich von Geschlechterkonventionen nicht aufhalten zu lassen und meinen Weg zu gehen. Diese Möglichkeit muss auch juristisch gegeben sein, ansonsten können wir nicht von einer Demokratie sprechen. Wir sollten uns in der Schweiz bewusst sein, dass das erst seit 50 Jahren der Fall ist. Wir waren das zweitletzte Land in Europa, das den Frauen ihr Stimm- und Wahlrecht gewährte.
2. Wo stehen wir mit der Gleichberechtigung in der Schweiz? Was haben wir erreicht?
Laut der Bundesverfassung sind Männer und Frauen heute gleichberechtigt. Doch das Gesetz enthält noch immer viele Stellen, die eine tatsächliche Gleichstellung erschweren. Etwa die Besteuerung von Ehepaaren oder der Koordinationsabzug, der Teilzeitarbeitende benachteiligt. Zudem kommen Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen, die alltäglich sind und nicht genug ernst genommen werden. Oder die noch stark verankerten Stereotypen in der Bildung. Wir müssen aber auch mehr an die Inklusion von Trans Menschen, Nonbinären, Intersexuellen oder Menschen mit Behinderung denken. Sie sind oft noch stärker benachteiligt als Frauen.
3. Welche Vorteile haben Männer durch die Gleichberechtigung? Und auch Firmen?
Männer sind genauso mit Stereotypen konfrontiert wir Frauen. Sie können ab dem 1. Januar nun zwei Wochen Vaterschaftsurlaub nehmen, aber das ist wenig. Viele möchten auch nicht, dass ihre Frauen, Freundinnen, Töchter oder Mütter schlechter bezahlt, unsicherer angestellt, beleidigt, gemobbt oder misshandelt werden, nur weil sie Frauen sind. Das geschieht Frauen aber leider wesentlich mehr als Männern. Für Firmen ist es eine Chance auf viele gut ausgebildete Arbeitskräfte. Tausende Akademikerinnen arbeiten nicht auf ihrem Feld oder nur wenig, weil sie Betreuungspflichten haben oder sie zu viel Steuern zahlen müssten und die Krippe zu teuer wäre. Das ist verlorenes Kapital. Besonders in technischen Sektoren. Hier müssen Stereotypen abgebaut werden, damit sich Mädchen nicht von STEM-Berufen abwenden, weil sie an eine Zukunft als Mutter denken.
4. Wie motivierst du junge Frauen, ihr Stimmrecht auszuüben?
Unsere Mütter oder Grossmütter hatten diese Möglichkeit nicht oder nur kurz. Sie konnten ohne die Erlaubnis der Ehemänner keine Anschaffungen machen, keine Arbeit annehmen oder den Wohnsitz wechseln. Deswegen sollten gerade Frauen heute ihre Rechte nutzen, um unsere Gesellschaft zu prägen und Gleichstellung noch stärker in unseren Gesetzen zu verankern.
5. Was möchtest du in 50 Jahre gefeiert haben?
Das Wahl- und Stimmrecht für Jugendliche ab 16 Jahren und eine erleichterte politische Beteiligung für Menschen ohne Schweizer Pass oder Einbürgerung.
*Cis-Männer oder Cis-Frauen werden diejenigen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität dem Geschlecht entspricht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
https://www.zh.ch/de/direktion-der-justiz-und-des-innern/fachstelle-gleichstellung.html