Swiss TecLadies Mentee Johanna Muster: «Du kannst es tun – also tu es und geh so weit wie möglich!»
Die Neuenburgerin Johanna Muster wusste immer, dass sie eines Tages eine einen Jet fliegen würde. Doch wer hoch hinauswill, braucht einen Boden, um abzustossen: 2024 schliesst sie ihre Ausbildung zur Winzerin EFZ ab. Dass Johanna ihren Traum vom Fliegen verwirklichen kann, hat sie zu einem guten Teil Laetitia Progin, Fahrzeug- und Methodentechnikerin beim regionalen ÖV-Anbieter TRAVYS und Mentorin bei Swiss TecLadies, zu verdanken. Swiss TecLadies, das Mentoring-Programm der SATW, welches beide zusammenbrachte, erwies sich für Johanna als Sprungbrett.
Johanna, du bist im 3. Lehrjahr zur Winzerin EFZ und stehst mit beiden Beinen auf dem Boden, beziehungsweise im Weinberg. Kürzlich hast du die SPHAIR-Ausbildung (als Anwärterin zur Pilotin der Schweizer Luftwaffe) absolviert und dich damit hoch in die Lüfte begeben. Wie passen diese beiden Passionen zusammen?
Johanna Muster (JM): Die Luftfahrt war immer meine Leidenschaft. Schon als ich klein war, wollte ich das machen. Meine Eltern erzählten mir, dass ich, als ich mit 10 Jahren an der Air14 (internationale Flugschau in Payerne, 2014) war, den Leuten gesagt habe, dass ich in 10 Jahren auch dort oben fliegen würde. Und nun habe ich das erreicht. Mein Pilotinnentraum hörte nie auf zu existieren, aber es gab auch Turbulenzen. Ich war eine gute Schülerin, Klavierspielerin und Fussballerin. Dennoch drohte ich im Gymnasium den Halt zu verlieren. Ich war einfach nicht am richtigen Ort. Ich war demotiviert, zweifelte an meinem Fähigkeiten, und entschied mich schliesslich für die Ausbildung als Winzerin, weil ich konkrete Dinge liebe.
Das hat dir offensichtlich wieder Boden unter den Füssen gegeben. Kurze Zeit später, im 2020/21, hast du dich für TecLadies Mentoring-Programm beworben – wie kam das?
JM: Ich wusste, dass ich mehr wollte, aber wie? Als ich vom Mentoring der Swiss TecLadies hörte, wusste ich, das ist das Richtige, um meine höheren Ziele, u.a. die Fliegerei, weiter zu verfolgen. Meine Mentorin Laetitia Progin hat mich ermuntert, SPHAIR zu probieren. Sie hat mich gelernt, nie aufzugeben und für seine Ziele zu kämpfen. In der Fliegerei muss man sowieso für fast alles kämpfen. Man muss kämpfen, um seinen Platz zu bekommen. Aber der größte Kampf findet in uns selbst statt. Es ist immer eine mentale Herausforderung. Was auch immer wir tun, wir müssen immer an unsere Grenzen gehen, wenn wir wirklich etwas erreichen wollen.
Laetitia, du bist Fahrzeug- und Methodentechnikerin beim regionalen ÖV-Anbieter TRAVYS. Warum bist du Mentorin bei Swiss TecLadies? ? Was sind deine Überzeugungen und was rätst du jungen Mädchen, die sich für MINT-Berufe interessieren?
Laetitia Progin (LP): Ich bin Mentorin, um meine Erfahrungen weiterzugeben und auszutauschen, das ist ein bisschen wie die Rolle einer grossen Schwester. Das ist meine Art zu zeigen, dass es möglich ist, Selbstvertrauen aufzubauen. Mit jeder Generation arbeiten mehr Mädchen in technischen Berufen. Mein Motto ist: Versuche dein Glück, indem du dir selbst die Möglichkeit gibst, keine Reue zu empfinden. Das hat mir ermöglicht, mehr Mut zu wagen und beharrlicher zu sein. Denn wenn dir etwas gefällt, was auch immer es ist, dann musst du es tun!
Mein Rat ist, neugierig zu sein: Informiere dich über die Bereiche, die dich interessieren, frage nach Praktika, besuche Karrieremessen. Aber sei auch mutig: Erweitere dein Netzwerk, um Mädchen kennenzulernen, die sich für MINT-Berufe interessieren, und pflege soziale Netzwerke, um mit anderen Mädchen „umgeben“ zu sein. Für meine Generation war es im Vergleich zu heute ziemlich aufwändig, sich ein gutes Netzwerk zu erarbeiten.
Johanna, Wie hast du das Mentoring-Programm erlebt? Was waren für dich die Highlights und was konntest du für dich mitnehmen?
JM: Mein Mentoring-Programm war genau während Covid. Anlässe konnten nur wenige durchgeführt werden, das meiste war online. Das war schade, denn auch wir Mentees konnten uns nicht so oft treffen, wie wir es uns gewünscht hätten. Ich hatte das grosse Glück, auf meine Mentorin Laetitia Progin zu stossen. Es hat perfekt gepasst. Laetitia hat mir gezeigt, wie man auf dem Weg zu seinen Zielen Einflussfaktoren erkennt, Prozesse überblickt und seinen Handlungsspielraum laufend auslotet. Der Höhepunkt meiner Erfahrung war die Verbindung, die alle wir jungen (und nicht mehr so jungen) Frauen untereinander haben. Wir alle haben ein gemeinsames Interesse und es ist sehr lehrreich, mit jemandem zu diskutieren zu können, der die gleichen Leidenschaften hat. Der MINT-Bereich ist sehr eng mit der militärischen Luftfahrt verbunden, daher wusste ich bereits viel über diesen Bereich. Tatsächlich leisten Frauen im MINT-Bereich viel und das ist sehr schön.
Wie hast du Laetitia erlebt, was hat sie dir mitgegeben?
JM: Laetitia war wirklich eine großartige Mentorin. Sie ist eine sehr offene Person und sie hat mir viele Dinge beigebracht, nicht nur über Technik, sondern auch über das Leben, und das finde ich wirklich cool. Dank Laetitia wurde mir klar, dass es für ein Problem immer eine Lösung gibt. Sie ist eine inspirierende Frau, die den Menschen um sie herum viel bringt. Sie strahlt und ist fröhlich, hat immer ein Lächeln auf den Lippen und bei jedem Treffen freue ich mich, dass wir in Kontakt geblieben sind.
Mit ihr habe ich mich für SPHAIR entschieden, weil ich sehen wollte, wo meine Fähigkeiten liegen. Ich hatte auch tolle Vorbilder wie etwa Fanny Chollet, die erste Schweizer F/A-18-Kampfjetpilotin. Eine grosse Überraschung war für mich dann, dass ich mein Pilotinnen-Screening bestand. Für mich war die Botschaft sehr klar: Du kannst es tun, also tu es und geh so weit wie möglich!
Laetitia, was braucht es, damit mehr jungen Frauen MINT-Berufe ergreifen?
LP: Um junge Mädchen zu fördern, sind Programme wie Swiss TecLadies gut geeignet. Es ist jedoch sehr schwierig, Stereotypen aufzulösen. Aus diesem Grund werden nur sehr wenige Mädchen in die Technikbranche gebracht. Um sie anzulocken, müssten wir noch mehr Werbung machen, aber es wird immer schwieriger. Mädchen müssen an ihre Träume glauben und sich dafür einsetzen. Wie auch immer, es spielt keine Rolle, was andere Leute denken. Also macht es, Mädels, und schaut (fast) nie zurück!
Wie ging es nach dem Mentoring weiter? Wie siehst du deine Zukunft, Johanna?
JM: Ich habe in Colombier (Flugplatz Neuchâtel) im Juli 2022 zwei Wochen Flight Academy genossen und SPHAIR im Juli 2023 abgeschlossen. Mir wurde die Laufbahn als Militärpilot vorbehaltlos empfohlen. Nächstes Jahr werde ich meine Berufsmatura machen und danach zur Armee gehen. Wenn immer möglich möchte ich Militärpilot werden. Das ist mein vorrangiges Ziel. Für alle Fälle bleibt jedoch die Option einer zivilen Pilotin offen.
Ich hoffe, dass meine Geschichte andere junge Mädchen wie mich inspirieren wird. Damit sie sich vorstellen können, dass alles möglich ist, wenn man will. Manchmal dauern Wunder etwas länger. Aber sie kommen – wenn wir uns darauf einlassen und sie mit Leidenschaft, Hingabe, Mut und Ausdauer verfolgen.